Nach dem Abitur war mein Weg scheinbar klar: Ich wollte Fotograf werden oder zumindest Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie studieren. Schließlich war die Fotografie seit Jahren meine Leidenschaft. Ein Vorpraktikum bei einem Industrie- und Werbefotografen in Stuttgart sollte mir den Einstieg erleichtern. Doch dann kam die erste große Hürde – meine Bewerbung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart wurde abgelehnt. Also landete ich an der Merz Akademie, einer privaten Hochschule für Gestaltung.
Dort studierte ich mit Begeisterung, doch ich merkte schnell, dass ich mit meinen Kommilitonen, die vor Kreativität sprühten, nicht mithalten konnte. Trotzdem hielt ich durch und schloss mit einem Diplom ab. Meine Diplomarbeit „Augmented Reality beim Militär“ war für das Jahr 2002 thematisch ihrer Zeit voraus, aber bahnbrechend war sie nicht.
Bereits während des Studiums holte mich der Art Director der Agentur, bei der ich mein Praxissemester absolviert hatte, ins frisch gegründete „Büro Orange“ von Sabine Joas. Bei ihr lernte ich saubere Feintypografie, die Mechanismen guter Gestaltung und vor allem: echtes Handwerk. Dort begann ich, mich mit der Praxis der Gestaltung auf eine Art auseinanderzusetzen, die mir weitaus mehr lag als das rein Kreative. Doch dazu später mehr.
Erste Erfahrungen und eine folgenschwere Insolvenz
Nach meinem Studium wurde mir geraten, nicht unüberlegt direkt in die Selbstständigkeit zu starten, sondern zunächst in einer Agentur Erfahrungen zu sammeln und meine praktischen Fähigkeiten weiter auszubauen. So landete ich in einer kleinen Agentur in Stuttgart, die spannende Kunden wie Kärcher, Cleanpark oder Heckler & Koch betreute. Das Team bestand neben dem Chef aus genau drei Leuten: einer kettenrauchenden Kollegin, einer Azubine und mir. Dadurch bekam ich von allem etwas mit – von Kundenterminen bis hin zur Umsetzung von Projekten. Doch das Abenteuer endete abrupt, als der Geschäftsführer die Agentur in die Insolvenz steuerte.
Diese Pleite war für mich der letzte Schubs in Richtung Selbstständigkeit. Ich zog in einen ungenutzten Raum in der Firma meines Vaters und machte mich nun also doch selbstständig. Gleichzeitig hatte Sabine Joas mit der Kaffeerösterei Hochland einen großen Kunden gewonnen, weshalb sie mehr Arbeit hatte, als sie bewältigen konnte. So landete ich erneut bei ihr – diesmal als freier Mitarbeiter.
Die Geburt des „Grafik-Schrubbers“
Im „Büro Orange“ vertiefte ich mein Wissen in den Feinheiten des Handwerks und der praktischen Umsetzung. Doch es war eine besondere Begegnung, die mich zu meiner eigentlichen Berufung führte. Ein enger Bekannter von Sabine Joas, den wir nur „den Mann“ nannten, war eine faszinierende, wenn auch äußerst exzentrische Persönlichkeit. Er war gleichzeitig genial und unberechenbar, ein Mann, der ebenso tief in philosophischen Theorien versank wie er mit einer Mischung aus Nonchalance und Chaos durch den Alltag stolperte. Seine Gedankengänge waren scharf wie ein Skalpell, seine sozialen Gepflogenheiten dagegen oft ein wenig … sagen wir mal … improvisiert. Und doch erkannte er innerhalb eines einzigen Gesprächs, woran ich jahrelang gescheitert war:
„Ha, du bisch halt koin Grafiker, sondern an Reinzeichner!“
Es war mein Moment der Erleuchtung. Jahrelang hatte ich mich abgekämpft, versucht, Ideen zu entwickeln, die nicht zünden wollten, und mich mit einem Gefühl der Unzulänglichkeit herumgeschlagen, weil ich in der kreativen Konzeptentwicklung einfach nicht mithalten konnte. Immer wieder erlebte ich Frustration, wenn ich den hohen Erwartungen nicht gerecht wurde. Und dann kam dieser eine Satz – so simpel und doch so treffend. Ich war eben nicht der kreative Kopf, der neue Konzepte entwickelte – ich war derjenige, der die Ideen der Anderen sauber und perfekt umsetzte. Die Designs der Kreativen wurden in meinen Händen zu fertigen, technisch einwandfreien Produkten.
Mit dieser Erkenntnis nahm ich mir die Zeit, um meine professionelle Ausrichtung neu zu überdenken. Ich reflektierte über meine bisherigen Erfahrungen, meine Stärken und die Erwartungen der Branche – und erkannte, dass meine wahre Kompetenz in der technischen Umsetzung lag. Also entschied ich mich, mich ganz gezielt in diese Richtung zu positionieren. Ich entwickelte ein "haptisches" Mailing, das meine neue Positionierung mit einem Augenzwinkern kommunizierte. Neben einem clever getexteten Anschreiben verschickte ich Hunderte von Wurzelbürsten mit meinem Namen und meinen Kontaktdaten gelasert an Agenturen. Die Botschaft war klar: „Ihr seid die Kreativen, ich setze eure Ideen um und bringe sie zum Glänzen.“
Das Mailing war ein voller Erfolg. Noch Jahre später riefen Agenturen an und erzählten mir, dass der Schrubber immer noch auf ihrem Schreibtisch läge – manche nutzten ihn für ihre Apple-Tastaturen, andere im Pferdestall oder auf dem Segelboot. Mein Platz als Freelancer in der Stuttgarter Agenturlandschaft war jedenfalls gesichert. Ich wurde gezielt für genau die Jobs angefragt, die meine Spezialität waren.
Vom Reinzeichner zum Satz-Experten
Im Laufe der Zeit entwickelte sich mein Fokus immer weiter weg von klassischer Reinzeichnung hin zu anspruchsvollen Satz-Projekten. Eines der anspruchsvollsten und technisch herausforderndsten Aufgaben war eine Mineralienausstellung mit 5.300 Exponatschildchen, die aus einer monströsen Excel-Tabelle gesetzt werden mussten. Copy & Paste war keine Option – hier musste ein intelligenter Workflow her. Technische Präzision, durchdachte Prozesse und ein tiefes Verständnis von InDesign waren gefragt – genau mein Ding!
2015 kam der nächste große Schritt: Ein internationaler Kunde plante ein umfassendes Marken-Redesign. Da ich bereits für das Unternehmen gearbeitet hatte, wurde ich zu einem Workshop eingeladen, bei dem die neuen weltweiten InDesign-Templates entwickelt werden sollten. In monatelanger Arbeit baute ich diese Templates gemeinsam mit den deutschen Kollegen des Unternehmens auf – und sie waren fast zehn Jahre lang weltweit im Einsatz. Erst 2024 wurde ein weiteres Redesign durchgeführt – und wie selbstverständlich wurde ich erneut für die neuen Templates engagiert.
Der Umzug in den Norden – ein Neustart mit Hürden
Ironischerweise zog ich 2010, auf dem Höhepunkt meines Erfolgs in Stuttgart, aus familiären Gründen nach Norddeutschland. Da ich dort niemanden kannte, nahm ich zuerst 11 Monate Elternzeit mit meinem kleinen Sohn. Danach versuchte ich, mein erfolgreiches Konzept aus Süddeutschland auch im Norden zu etablieren – wieder mit dem Schrubber-Mailing. Der Neustart im Norden brachte neue Herausforderungen mit sich. Obwohl ich einige große Agentur-Kunden gewinnen konnte, stellte sich die gewohnte Dynamik aus Stuttgart nicht in gleicher Weise ein. Die Strukturen und Kontakte waren anders, und es brauchte Zeit, mich neu zu positionieren.
Heute arbeite ich ausschließlich remote und habe mich noch stärker in meiner fachlichen Nische eingerichtet. Das hat auch Vorteile: Ich betreue mittlerweile internationale Kunden, sogar in den USA. Mein Fokus liegt nach wie vor auf anspruchsvollen Satz-Projekten und InDesign-Templates – und ich kann mit Stolz sagen, dass ich nie wieder versucht habe, jemand zu sein, der ich nicht bin. Ich bin kein Kreativer. Ich bin kein Konzeptentwickler. Ich bin der Grafik-Schrubber.
Und genau damit bin ich erfolgreich.
Manchmal braucht es nur den richtigen Partner, um eine Idee zum Leben zu erwecken. Falls du jemanden suchst, der deine Designs professionell umsetzt – du weißt ja jetzt, wo du mich findest!